Gedanken zur Zukunft der Führung: Führung in die Zukunft
Dr. Silke Seemann
(zur Kontextklärung) .... Visionärrin, neugierige Forscherin und begeisterte Umsetzerin: Unternehmerin! Geschäftsführerin der Austrian Hideaways GmbH, der Salzkammergut Hideaways GmbH und maßgeblich in und an der Gründung der Begeisterungsagentur FROHMUT42 beteiligt. Gute Gastgeberschaft steht im Fokus aller Überlegungen. Sowohl als Mutter - denn unsere Kinder sind unsere Gäste, die auf der Durchreise in eine eigenes Leben sind - als auch als Unternehmerin, denn unsere Mitarbeiter sind ebenfalls Gäste in unserem Unternehmen, die täglich wieder in ein eigenes Leben gehen und zu guter Letzt, aber damit auch im Zentrum allen Agierens angekommen: die Menschen, für die wir arbeiten! In der Hospitalitybranche sind das „Gäst*innen“. Die Austrian Hideaways GmbH verfolgt das Ziel, den kleinteiligen Tourismus in Österreich zu stärken. Dazu gehört das Sanieren von unprofitabel geglaubten Organisationsgrößen mitsamt den dazu gehörigen Liegenschaften ebenso wie der Aufbau neuer Businessmodelle und damit einhergehend innovativer Organisationsmodelle.
Niemand kann das allein. Dazu braucht es ein starkes Team mit innovativen starken Charakteren. Eine Gemeinschaft von Individuen, die zugleich selbst-, gruppen- und systembewusst fühlen, denken und agieren können und wollen.
Organisationales Lernen ist die Voraussetzung, um sich als Unternehmensgruppe in einer zunehmend komplexen gesellschaftlichen Umwelt adäquat zu bewegen.
Individuelle Gesundheit - Salutogenese - die sich nicht an der Unterscheidung von Krankheit definiert, bedingt eine Welt die der Mensch versteht, die Möglichkeit, sich aktiv gestaltend einbringen zu können und Wertekongruenz im gemeinschaftlichen Handeln.
Die Organisation eines Unternehmens sollte genau das sicher stellen. Sie ermöglicht, dass die Akteure zumindest die Logiken im Rahmen der Gemeinschaft der zusammen und miteinander arbeitenden Menschen nachvollziehen und verstehen können. Sie bietet den Raum, in dem sich jedes der zugehörigen Individuen entfalten kann und als Basis und Leitplanken aller Handlungen eine möglichst kongruente Wertebasis.
Arbeiten mit HIRN - HERZ - HAND und SEELE bedingt eine andere Vereinbarung zum Eergieaustausch als es Arbeitsverträge aus der Industrie ermöglichen. Sie regeln nur einen Teil des Austausches. Zeit gegen Geld. Selbstverständlich lediglich für das Unternehmen unmittelbare Produktivzeit gegen Geld.
In diesem Bild sind nur Teilaspekte erfasst. In der er- und gelebten Realität stellt sich dieser Austausch noch wesentlich komplexer dar. Dennoch macht es deutlich, dass es neue Vereinbarungen braucht, wenn wir auch im Rahmen von Unternehmen fair miteinander interagieren wollen. Der industriell geprägte Klassenkampf, dem sich sowohl Arbeitgeber*innen- als auch Arbeitnehmer*innen- Organisationen noch immer verpflichtet sehen, ignoriert den Wandel der Gesellschaft. Wir brauchen heute einen anderen Diskurs und auch andere Formen der Begegnung, um unser Miteinander zu organisieren.
Vielleicht hilft es, sich noch einmal zurück zu besinnen, welchen Weg die Menschheit evolutionär zurückgelegt hat. Von der Rotte zur Stammeszugehörigkeit, über die ständische Ordnung des Adels und der Zünfte zur Bürokratie, die dem Individuum eine faire Chance zur Gleichstellung bieten sollte, mühen wir uns aktuell mit dem Abschied von formalen Bildungssystem ab. Hightechunternehmen wie Alphabet und Apple bieten jungen Talenten Wissens- und Könnens(!)erwerb in 6 Monaten, den sie in Unterwerfungsriten an Universitäten nur in Jahren erlangen würden, wenn überhaupt! Das Internet bietet Bildungschancen, die auf individueller Verantwortung aufsetzen. Eine gesellschaftliche Orientierung an Bildungsabschlüssen löst sich gerade auf.
Neben der Schwerpunktsetzung auf intellektuelles Kapital kommen neue Kapitalarten ins Spiel. Achtsamkeit, Zuwendung, Empathie und Kreativität sind einige, hier als Beispiel angeführt, die in fast allen Branchen an Bedeutung gewinnen seit Produkte nur noch als Produkt-Dienstleistungs-Bundle zu denken sind.
Mit dem Abschied vom Konsum, der durch die Pandemie der beginnenden 20er Jahre des dritten Jahrtausends manifestiert wird, hin zu einem auf Resonanz ausgelegten Austausch von Produkten und Leistungen, wandeln sich die Kapitalarten über die dieser Austausch verhandelt wird.
Über fast 200 Jahre haben sich die Grundlogiken des Wirtschaftens so gut wie nicht verändert, auch wenn die globale Vernetzung zu einer eklatant steigenden Wahrnehmung der gegebenen Komplexität geführt hat. Menschen hatten sich die Welt erklärbar und handhabbar gestaltet, indem sie Komplexität leugneten und funktionale Zusammenhänge wissenschaftlich unantastbar komplexitätsreduziert erklärten. Ausgerechnet die Naturwissenschaften und die Mathematik wurden dabei begründend herangezogen. Mittlerweile wissen wir durch Gödel und Heisenberg angeregt, dass dies Hilfskonstruktionen waren, die wir heute mit Wohlwollen betrachten können, aber unser nichtgewusstes Nichtwissen eingestehen können.
Wenn wir also heute einen globalen Energieaustausch neu verhandeln müssen und wollen, dann geht es dabei nicht nur um Kalorien. Es geht um nicht weniger, als das neue Aushandeln der Lebensbedingungen auf diesem Planeten. Die Fragen, denen wir uns zu stellen haben, sind größer als wir sie begreifen und verstehen könnten. Dennoch sind wir mitten in genau diesem Prozess.
Die Klimakrise betrifft zentral das Klima der globalen Gemeinschaft der Menschen. Wir sind angehalten, uns zu fragen, was ist das Klima in den Familien, wie steht es um das Klima in den Unternehmen und Organisationen und wie aktiv arbeiten wir an diesen Klimafragen?
Wir beobachten Energiekrisen auf der Ebene der Individuen: Burn-Out ist schon lange ein Massenphänomen, Kinder werden ganz selbstverständlich mit Psychopharmaka wie Temperamentdämpfern und Stimmungsaufhellern gedopt. Und auch Erwachsene greifen eher zur Pille als dass ihnen einfiele, ein krankmachendes Klima in Frage zu stellen. Kinder werden weiter in Schulen geschickt, die für eine Welt ausbilden, die es schon seit 100 Jahren nicht mehr gibt und Studierende bereiten sich mit Abschlüssen auf Unternehmenswirklichkeiten vor, die ebenfalls schon lange Geschichte sind. Unternehmen kämpfen ums Überleben, haben ihren Sinn verloren und ignorieren den Wandel. Sowohl Kunden als auch Mitarbeiter orientieren sich neu. Konsum von Leblosem eignet sich nicht mehr als Betäubungsmittel. Und auch die Erlebnisindustrie kommt an ihre Grenzen, wenn sie sich heiß läuft, weil die Menschen sich nicht mehr spüren. Sich selbst nicht und damit auch andere nicht. Yoga, Intervallfasten und Meditation haben Fitness und Marathonläufe abgelöst. Die Menschen sind nach wie vor auf der Jagd - sie suchen sich selbst, das Gefühl lebendig zu sein.
Hartmut Rosa hat in seiner Soziologie der Weltbeziehung - kurz Resonanz - einen umfassenden Vorschlag ausgearbeitet, wie wir die Welt unter Beobachtung nehmen können, um in dieser Krisenstimmung handlungsfähig zu bleiben. Protagonisten wie der Hirnforscher Gerald Hüter und Pater Anselm Grün übernehmen Verantwortung und melden sich zu Wort. Sie bieten Orientierung. Genau das scheint mir ein zeitadäquates Angebot zu sein. Wenn wir Menschen aktuell etwas brauchen, dann Orientierung und das Gefühl der Zugehörigkeit.
Das Konzept der Führung gehört in eine Welt, in der es nicht um Resonanz und Begegnung auf Augenhöhe von Subjekten ging. Führung gehört in eine Welt des Sortierens und Verfügbarmachens von Objekten. Schule macht aus Kindern Objekte, Universität macht seit Bologna aus Studierenden Objekte des Wirtschaftens und die Wirtschaft formt Konsumenten mit unstillbarer Nachfrage. Führung zeigte in dieser Welt, wo es lang geht. Laut pfeifend mit verbundenen Augen heftig gestikulierend allen voran schreitend. Ganz gleich wohin, Hauptsache oben und nach vorne. Die Führer haben ob ihrer Verblendung übersehen, dass es in einem Netzwerk weder ein oben noch ein vorne gibt. Das einzige vorne ist da, wo keiner mehr weiß, wo es lang geht.
Führung ist also ebenso wie das Klima in der Krise.
Warum also wollen wir uns mit Führung befassen. Wollen wir uns nicht viel lieber Klimafragen zuwenden? Wie soll den das Klima aussehen, in dem wir gerne leben wollen? Und wie soll sich das Klima in unseren Beziehungen anfühlen? Im Kontext der Familie, im Kontext der Gemeinschaft und ganz besonders sollte Wirtschaft danach fragen, wie das Klima in Unternehmen als gemeinschaftlichem Organisieren des Wirtschaftens aussehen und sich anfühlen kann.
Wir müssen neu verhandeln.
Als selbst- gruppen- und systembewusste Individuen. Das haben wir noch nie. Wir scheitern schon am Selbstbewusstsein. Wenige sind ausgebildet in Gruppenbewusstsein und noch weniger in Systembewusstsein.
Wie soll das in ein Werden finden?
Wir sind mitten drin.
Wenn wir das Nichtwissen des Nichtgewussten akzeptieren und lernen auch dem zu vertrauen, haben wir vielleicht eine Chance.
Versuchen wir es….
Gedanken an einem Sonntag im März 21, angeregt von Jan Poczynek - eingeladen zu einer Clubhouse-Session zum Thema Führung und Zukunft.